Pazifismus

Pazifismus
Pa|zi|fis|mus [pats̮i'fɪsmʊs], der; -:
weltanschauliche Strömung, die den Krieg als Mittel der Auseinandersetzung zwischen Staaten ablehnt.

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Pa|zi|fịs|mus 〈m.; -; unz.〉 Bestreben, unter allen Umständen den Frieden zu erhalten, Ablehnung des Krieges u. Kriegsdienstes [neulat.; zu frz. pacifisme]

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Pa|zi|fịs|mus , der; - [frz. pacifisme, zu: pacifique = friedlich, friedliebend, zu: pacifier = Frieden geben]:
a) weltanschauliche Strömung, die jeden Krieg als Mittel der Auseinandersetzung ablehnt u. den Verzicht auf Rüstung u. militärische Ausbildung fordert;
b) jmds. Haltung, Einstellung, die durch den Pazifismus (a) bestimmt ist:
sein P. erlaubt ihm den Kriegsdienst nicht.

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Pazifịsmus
 
[französisch pacifisme, zu pacifier »Frieden geben«, zu lateinisch pax, pacis »Friede« und facere »machen«] der, -, geistige Strömung innerhalb der Friedensbewegung beziehungsweise antimilitaristischen Bewegungen, die sich durch die Ablehnung von (militärischer) Gewalt auszeichnet. Die Bezeichnung war bis zum Ersten Weltkrieg Synonym für die Friedensbewegung. Der Pazifismus lehnt den Einsatz von Militär zur Konfliktregelung ab; er fordert als Mittel gegen bewaffnete Okkupation die soziale Verteidigung und andere Formen zivilen Ungehorsams. Der Pazifismus setzt sich für die Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht und einen tatsächlichen Friedensdienst (Zivildienst) ein.
 
 
Der radikale Pazifismus ist auf christlicher Grundlage von mystischen Spiritualisten des 16. Jahrhunderts sowie v. a. von den Mennoniten und Quäkern vertreten worden, die, beginnend in New York (1815) und London (1816), erste Friedensgesellschaften (Friedensbewegung) gründeten. Im Zuge der Bildung solcher Friedensgesellschaften wurden internationale Friedenskongresse abgehalten, und 1888 entstand die Interparlamentarische Union. Als Zentrale sämtliche Friedensgesellschaften besteht seit 1891 das Internationale Friedensbüro (Sitz Bern, seit 1919 Genf), das 1910 den Friedensnobelpreis erhielt. Der Pazifismus ist auch wesentlich mit dem Wirken von J. Jaurès, L. N. Tolstoj, H. Dunant, A. H. Fried und L. Quidde, H. Lammasch sowie Bertha von Suttner verbunden. Deren Bemühungen trugen später entscheidend zur Bildung von Völkerbund und UNO bei.
 
Der radikale Pazifismus äußerte sich während des Ersten Weltkriegs und danach literarisch in pazifistischen Werken (H. Barbusse, »Le feu«, 1916, und »Clarté«, 1919) und in den Aktivitäten verschiedener Organisationen. Bedeutendste internationale Organisation wurde die auch vom Anarchismus beeinflusste »War Resisters' International« (WRI, gegründet 1921 in den Niederlanden als Anti-Militaristisches Kongress, seit 1923 in London). In der Frauenbewegung entstand 1915 die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit. In der Weimarer Republik engagierten sich für den Pazifismus u. a. C. von Ossietzky, P. von Schönaich und L. Quidde in der Deutschen Friedensgesellschaft und Helene Stöcker im Bund der Kriegsdienstgegner Deutschlands. Als katholische Organisation bestand der Friedensbund der Katholiken (gegründet 1919). Ein führender protestantischer Vertreter des Pazifismus war Friedrich Siegmund-Schultze (* 1885, ✝ 1969). Von der national-sozialistischen Diktatur wurden die Pazifisten verfolgt.
 
Nach 1945 stärkten die Kriegserfahrung und die durch die Massenvernichtungsmittel neu entstandene Situation den Pazifismus. Als prominente Vertreter des Pazifismus wurden u. a. A. Schweitzer, A. Einstein, M. Niemöller und B. Russell bekannt. Mit der Idee der Gewaltlosigkeit identifizierten sich v. a. M. L. King und M. K. Gandhi und entwickelten Formen des gewaltfreien Widerstands. Mit der Bewegung gegen den Vietnamkrieg gewann der Pazifismus weiter an Bedeutung. Die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund zunehmender Kriegsdienstverweigererzahlen bereits in den 1970er-Jahren im Zusammenhang mit der Diskussion um die Abschaffung der »Gewissensprüfung« geführte öffentliche Debatte ließ die Breite pazifistischen Denkens deutlich werden. Seit 1980 gibt es eine zunehmende Zusammenarbeit mit der Ökologiebewegung. Die in Deutschland, aber z. B. auch in Spanien sowie in den USA entstandene Bewegung gegen den (zweiten) Golfkrieg Anfang 1991 war wesentlich vom Pazifismus beeinflusst. Die in den letzten Jahren in verschiedenen osteuropäischen Ländern eingeleitete Legalisierung der Kriegsdienstverweigerung trägt pazifistische Vorstellungen verstärkt Rechnung. In der Schweiz scheiterte 1989 zwar eine u. a. von M. Frisch unterstützte Volksabstimmung »für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik«, sie erreichte aber 35,6 % Befürworter.
 
 
Dem Pazifismus wurde immer vorgehalten, kein taugliches Mittel zur Kriegsverhinderung zu sein; häufig wurde und wird die persönliche Integrität von Pazifisten infrage gestellt (»Drückeberger«, »Idealisten«). Insbesondere wird die Ansicht vertreten, dass pazifistische Grundströmungen wie in den 1930er-Jahren in Großbritannien und Frankreich die westlichen Demokratien in ihrer Verteidigungsbereitschaft gegenüber der Macht- und Gewaltpolitik Hitlers erheblich beeinträchtigt hätten beziehungsweise dass der Pazifismus Auschwitz überhaupt erst möglich gemacht habe (H. Geissler). Andererseits wird dem Pazifismus zugestanden, dass er dazu beigetragen habe, die Erhaltung des Friedens und die Verhütung von Kriegen als eine lebenswichtige Aufgabe der Menschheit vor Augen zu führen. Viele Analysen der Friedensforschung wurden vom Pazifismus angeregt, v. a. die Kritik des Abschreckungssystems und der Gleichgewichtsdoktrin, die Erforschung der Feindbilder, Vorschläge zur Rüstungskonversion und Forderungen nach einer Friedenspädagogik.
 
 
A. H. Fried: Hb. der Friedensbewegung, 2 Tle. (21911-13, Nachdr. New York 1972);
 
P. zw. den Weltkriegen, hg. v. D. Harth u. a. (1985);
 
Wider den Krieg. Große Pazifisten von Immanuel Kant bis Heinrich Böll, hg. v. C. Rajewsky u. a. (1987);
 R. Epple-Gass: Friedensbewegung u. direkte Demokratie in der Schweiz (1988);
 K. Holl: P. in Dtl. (1988);
 
Kultur oder Vernichtung?, hg. v. M. von Borries (31990);
 N. Bock: P. zw. Anpassung u. »freier Ordnung« (1991);
 W. Wette: Militarismus u. P. (1991);
 K. Lipp: Religiöser Sozialismus u. P. (1995);
 
Gewaltfreiheit. Pazifist. Konzepte im 19. u. 20. Jh., hg. v. A. Gestrich u. a. (1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Pazifismus: Die Waffen nieder!
 
Pazifismus und Friedensbewegung: Ein Überblick
 

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Pa|zi|fịs|mus, der; - [frz. pacifisme, zu: pacifique = friedlich, friedliebend, zu: pacifier, ↑pazifizieren]: a) weltanschauliche Strömung, die jeden Krieg als Mittel der Auseinandersetzung ablehnt u. den Verzicht auf Rüstung u. militärische Ausbildung fordert: Die Soldaten hätten der Kirche ... zunehmenden P. und Kritik am Friedensdienst mit der Waffe vorgehalten (MM 7. 1. 82, 5); Seit Srebrenica hat der P. seine Unschuld verloren (Zeit 20. 5. 99, 70); b) jmds. Haltung, Einstellung, die durch den ↑Pazifismus (a) bestimmt ist: sein P. erlaubt ihm den Kriegsdienst nicht.

Universal-Lexikon. 2012.

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